Vereinigte algorithmische Rechte
Im Oktober 2022 schien jene Annahme Liberale und Progressive ziemlich zu belustigen, nämlich dass Elon Musk scheinbar 44 Millionen Euro in den Sand setzten wollte und Twitter an die Wand zu fahren schien. Die “Twitteria” blieb der Plattform treu, auch als sie X hieß. Mittlerweile scheint es möglich, das genau Datum benennen zu können, an dem X, vormals Twitter, den Algorithmus nach streng Rechts drehte.
Und so wie der Algorithmus nach rechts geschraubt wurde, so hat sich auch die politische Landschaft nach rechts geschraubt. Das als Zufall abzutun wäre eine dramatische Fehleinschätzung. Die Herrschaft über den Algorithmus erlaubt es der politischen Rechten nicht nur Meinungen zu dominieren. Algorithmen sind ein Steuerelement unserer Gesellschaften. Und genau eine solche Stellschraube hat sich Elon Musk 2022 umgerechnet 44 Milliarden Euro kosten lassen.
Mit der Übernahme von X stellt Musk Rechten, Rechtsextremen und faschistischen Einzelpersonen und Gruppieren ein Instrument mit größtmöglicher propagandistischer Entfaltung zu Verfügung. Er macht damit so etwas wie eine lose “vereinigte algorithmische Rechte” erst möglich.
Immer wieder war zu hören, dass Rechte “neue Medien” geschickter zu nutzen im Stande seien. Tatsache ist aber, dass die Algorithmen “mit Links” nicht mit derselben Effizienz bespielt werden können. Algorithmen werden programmiert. Wenn vor hundert Jahren ein Faschist beispielhaft ein liberales Medienhaus aufgekauft und umgebaut hat, dann war klar, dass man kein liberales Blatt mehr in den Händen hält. Warum das bei X länger gedauert hat, um verstanden zu werden, scheint eigentlich unlogisch. Innerhalb kurzer Zeit war zu sehen, dass mit dem neuen Eigentümer auch der zu erwartende neue Hausbrauch Einzug hält: X ist eine reaktionär faschistische Meinungsschleuder.
Ihr wollt die bürgerlichen Demokratien retten? Dann vergesellschaftet (unter anderem) Algorithmen. Unterwerft die Programmierung humanistischen Standards, reguliert die Anwendung.
Algorithmen mit jener Wirkmächtigkeit in den Händen von faschistischen Milliardären zu belassen bedeutet, selbst den elementaren Ideen der Aufklärung den Hals abzuschneiden. Der Ausgang wird ein Hightech-Faschismus sein, der gesellschaftspolitisch bestenfalls im 17. Jahrhundert zu verorten ist. Und von einem “Wettbewerb” der besten (politischen) Ideen kann ohnehin schon lange keine Rede mehr sein.